Freitag, 10. Juli 2015

Feministischer Freitag: Die Angst vorm bösen fremden Mann

Vor einer Weile war ich beruflich in einer Nachmittagsbetreuung für Grundschulkinder zu Besuch. Zu dem Zeitpunkt wurde das große Gebäude gerade renoviert. Es gab immer mal wieder einen Flur, der mit Malerpappe beklebt war und wo dementsprechend auch einige Anstreicher am Werk waren. Während ich also an der Anmeldung im Eingangsbereich stand und wartete, hörte ich, wie eine Erzieherin mit einer Zweitklässlerin schimpfte. Die Zweitklässlerin war offenbar durch den Flur, in dem gerade Malerarbeiten stattfanden, gelaufen um dort die Toilette zu benutzen. Die Erzieherin erklärte ihr nun, sie solle doch bitte eine der anderen Toiletten benutzen, denn sie könne doch nicht alleine rumlaufen, wenn fremde Männer im Haus sind und schon gar nicht in dem Flur, wo diese sich aufhalten. Das könne man höchstens machen, wenn man eine erwachsene Frau sei, aber als Kind ginge das ja nicht, schon gar nicht als kleines Mädchen. Man wüsste ja nie, das könne ja gefährlich sein... Ich war irritiert.
Ich halte es nicht für gefährlicher als kleines Mädchen allein zwischen Anstreichern rumzulaufen, als es für kleine Jungen ist. Ganz im Gegenteil, sexuelle Übergriffe werden auch an kleinen Jungs verübt, wie man ja in den letzten Jahren zuhauf in den Medien lesen/hören konnte. Hinzu kommt, das ein Großteil der sexuellen Übergriffe an Kindern von Leuten aus dem direkten Umkreis der Kinder begangen werden, weniger von völlig fremden Menschen.
Ich halte es hingegen für äußerst gefährlich, kleinen Mädchen irrationale Angst vorm "bösen fremden Mann" zu machen. Ich halte es für gefährlich, Mädchen zu vermitteln, dass Männern per se zu misstrauen ist, vor allem fremden Männern. (Vor allem auch Männern in Maleranzügen? Ich werde auch das Gefühl nicht los, dass da noch eine gewisse Klassenwertung mitschwingt - hätte die Erzieherin genauso reagiert, wenn es sich um eine Handvoll adrett gekleideter Lehramts-Anwärter gehandelt hätte?) Das schürt Ängste, gibt ein Gefühl von Machtlosigkeit und drängt zu Opfer-Täter-Rollen.
Aber: Ängste schüren und passive Opferrollen vorgeben schützt nicht! Genau das Gegenteil sollte gemacht werden: Kinder stärken, Kindern Mut machen, Kindern zeigen, wie sie sich wehren, wie sie "Nein!" sagen können, dass sie "Nein!" sagen können. Und zwar unabhängig, ob Mädchen oder Junge. 
Schade, dass das offenbar noch nicht überall angekommen ist und stattdessen die Angst vorm bösen fremden Mann weitergegeben wird.

1 Kommentar:

  1. man wundert sich manchmal, welche einstellung in welchen berufsfeldern anzutreffen sind....
    ich gebe dir vollkommen recht.
    liebe grüße,
    jule*

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